Das war die Schwedentour 2009

Greifvogel- und Vogelzugseminar 2009
DJN-Sommertour nach Falsterbo und durch Skåne

Ein Rückblick

So wie schon im letzten Jahr ging es für uns auch dieses Mal wieder nach Falsterbo in Südschweden, den drittbesten Ort in Europa, wenn es um arten- und individuenreichen Vogelzug geht. Nur wussten wir dieses Mal, wie der Hase läuft, wo es gute Beobachtungsstellen gibt und weiteten das Seminar von einem Wochenende auf ganze 10 Tage aus, um noch eine 5tägige Radtour durch die weitere Umgebung zu machen.

Alle Bilder stehen auch nochmal in der Galerie

Einleitung

Die alljährlichen Nord-Süd-Wanderungsbewegungen bei vielen Vogelarten machen es möglich, weitaus größere Areale zu bewohnen und in Regionen zu brüten, in denen sie sich den Raum mit nicht ganz so vielen Arten teilen müssen wie in ihren Winterquartieren. Dorthin allerdings müssen sie jedes Jahr zurückkehren, wenn ihr nördlicher gelegenes Brutgebiet keine ausreichende Nahrung mehr bietet. Auf der Südhalbkugel lässt sich das Phänomen entsprechend andersherum beobachten.

Jedoch ist die lange Reise kein Ferienausflug für die Vögel. Besonders die diesjährigen Erstzieher müssen sich ziemlich durchkämpfen. Sie ziehen oft in mittelgroßen anonymen Gruppen, kennen den Weg und all die lauernden Gefahren (Prädatoren, Wind und Wetter, Nahrungsknappheit, etc.) noch nicht. Das führt dazu, dass nur ein Fünftel der im Herbst ziehenden skandinavischen Vögel im nächsten Frühjahr wieder zurück kommen!

Auf Grund seiner besonderen Lage (südwestlichster Landzipfel Schwedens) ist die Halbinsel Falsterbonäset mit seinen Orten Falsterbo und Skanör so bedeutend für den Vogelzug in Skandinavien. Da die meisten Arten in südwestliche Richtung wandern und fast alle (normalerweise an Land lebenden) Angst vor der Meer-Überquerung haben, lassen sie sich so lange von der Küstenlinie leiten, bis es nicht mehr weitergeht. Dieses Verhalten nennt man auch den „flyway-Effekt“, der besonders dann stark ausgeprägt ist, wenn am Horizont kein Land in Sicht ist. Verstärkt wird dieser Effekt durch den vorwiegenden Südwestwind (Gegenwind!), der die Vögel dazu zwingt, möglichst tief zu fliegen, da in Bodennähe der Wind nicht ganz so schnell ist. Doch dann sind sie auch dem Wasser näher und orientieren sich umso eher an der Küstenlinie.

So gelangen viele Vögel an diesen Ort, der zudem mit seinen vielen Gärten, Hecken und Wäldern auch eine gute Rast- und Krafttank-Möglichkeit vor dem Weiterzug bietet. Nutzen tun das vor allem die meisten Singvogelarten, jedoch nicht die Greifvogelarten bis auf den einen oder anderen Sperber. Je nach Windrichtung ziehen sie dann weiter über die Ostsee Richtung Dänemark und erreichen schließlich mitteleuropäisches Festland. Dabei ist die Entfernung zwischen Falsterbo und Dänemark nicht die kürzeste, aber das wissen die meisten Vögel ja nicht und fliegen aus Respekt vor dem Wasser erst in letzter Möglichkeit über das Meer.

Von den ca. 500 Millionen Vögeln, die jeden Herbst von der skandinavischen Halbinsel aus nach Süden ziehen, zieht ein beträchtlicher Teil über Falsterbo. Die seit einigen Jahrzehnten standardisierte Zugvogelzählung in Nabben, dem südwestlichsten, begehbaren Ort der Halbinsel kommt auf einen langjährigen Durchschnitt von einer bis drei Millionen Individuen. Das klingt wenig; betrachtet man aber die Tatsache, dass nur einen halben Tag lang (ca. 5.30 Uhr bis ca. 14.00 Uhr) gezählt wird und nur an dieser Stelle (nicht alle Vögel fliegen über Nabben), dann ist klar, dass nachts (z. B. Rotkehlchen, Drosseln, Sänger, Schnäpper, etc.) und am Nachmittag ziehende Arten rausfallen, sowie die riesigen Zugschwärme von Singvögeln, die bei Rückenwind (N bzw. NO) in sehr großer Höhe fliegen, ebenfalls nicht erfasst werden können. Die tatsächliche Zahl der über Falsterbo ziehenden Individuen ist also um einiges größer.

Besonders bekannt ist Falsterbo für seinen Greifvogelzug. Mehr als 20 Greifvogelarten können hier auf dem Zug nach Süden beobachtet werden. Die mit Abstand häufigste von ihnen ist der Sperber, der mit etwa 16.000 Individuen pro Jahr durch Falsterbo zieht. Auf unserer Exkursion haben wir ihn im Prinzip ständig und jederzeit sehen und bei seinen schnellen Jagdflügen beobachten können. Am nächst häufigsten ist der Mäusebussard (> 13.800 Ind./a), der allerdings erst im September und Oktober so richtig in Schwung kommt. Wir konnten daher nur ein paar von ihnen sehen. Sehr typisch für unsere Reisezeit ist hingegen der Wespenbussard. In Deutschland ist er weit verbreitet, lebt allerdings sehr heimlich und wird oft mit dem Mäusebussard verwechselt. Man freut sich dort über jede einzelne Beobachtung. In Falsterbo hatten wir die Möglichkeit, viele Dutzend Wespenbussarde in teils recht großen Gruppen ziehend zu beobachten. Mit weit über 8.000 Individuen ist die Art die dritt häufigste Greifvogelart in Falsterbo und lässt sich auf ihrem Zug über die Heide (Ljungen) direkt neben dem Campingplatz in Falsterbo im Tiefflug so gut beobachten (wenn man sich auf den Rücken legt und einfach nur hochschaut), dass viele kleine Details im Gefieder und vor allem die wesentlichen Unterschiede zum Mäusebussard nachhaltig im Gedächtnis bleiben.
Weiterhin können hier sogar binnen weniger Minuten drei bis vier verschiedene Weihenarten (Rohr-, Korn-, Wiesen- und Steppenweihe) und auch alle mitteleuropäischen Falkenarten (Turm-, Baum-, Wanderfalke und Merlin) beobachten werden. Um die Monatswende August-September sind immer wieder einzeln ziehende Fischadler zu sehen, später dann viele Rotmilane.
Die meisten Birdwatcher kommen hierher, um einerseits die großen Mengen von Greifvögeln zu sehen und andererseits die (für Skandinavien) besonders seltenen Arten, die hier fast jährlich beobachtet werden können mitzuerleben. Dazu gehören Rotfußfalke, Schwarzmilan, Schreiadler und Schelladler. Ganz selten lassen sich dann auch Schlangenadler, Zwergadler, Steppenadler und andere blicken.

In Falsterbo gibt es eine Vogelstation (Falsterbo Fågelstation) am Leuchtturm, die sich der Zählung, Beringung und der weiteren Erforschung von Zugvögeln und des Vogelzuges widmet. Seit vielen Jahren werden hier in einem standardisierten Verfahren sowohl zum Frühjahrszug als auch zum Herbstzug jeden Tag ab dem Morgengrauen v.a. Singvögel im Garten des Leuchtturms gefangen und beringt. Eine weitere Beringungsstelle sind die Schilfbereiche im etwas nördlicher gelegenen Flommen. Im Schnitt werden am Leuchtturm jährlich 18.000 Vögel (v.a. Blaumeisen, Rotkehlchen, Sommergoldhähnchen und Fitis) und in Flommen 4.500 Vögel (v.a. Teichrohrsänger, Fitis, Schilfrohrsänger, Rohrammer) beringt.
Die Beringung dient gleich zwei Zwecken: einerseits der individuellen Markierung von Zugvögeln, die mit etwas Glück irgendwann und irgendwo auf der Welt wiedergefunden werden. Das erlaubt die Rekonstruktion von Zugwegen, die Beobachtung etwaiger Veränderungen (z. B. Durch Klimaveränderungen) oder der Unterschiede im Zugverhalten von Jung- und Altvögeln, Ausbreitungsmuster, Altersbestimmungen etc. Zum anderen ist die Beringung eine weitere „Zählmethode“ für Zugvögel in Falsterbo, denn durch den relativen Vergleich der Zahlen lassen sich ebenso Rückschlüsse auf Bestandstrends und Ökologie (z. B. Schlechte Brutjahre) ziehen. Die „Zählung“ hier ist ebenso eine Art Ergänzung zu der Zählung in Nabben, denn sie deckt viele Nachtzieher ab.
Seit 1980 wurden in Falsterbo insgesamt 550.000 Vögel beringt und bisher weltweit 5.800 wiedergefunden.

Unser Seminar

Am Freitag, dem 29.08.2009, und am Samstag, dem 30.08.2009, trudeln wir mit unseren beladenen Rädern auf dem Zeltplatz in Falsterbo ein. Das erste Wochenende verbringen wir auf der Halbinsel und machen täglich mehrere Exkursionen zu verschiedenen Beobachtungsstellen.
Gleich am ersten Morgen zieht es uns nach Nabben, einem sehr guten Ort für die Zugvogelbeobachtung, aber auch für Limikolen und andere Küstenvögel. Auf dem anschließenden Sandhaken Måkläppen brüten viele verschiedene Arten, das Gebiet ist ganzjährig vor Betretung geschützt. Viel Vogelzug ist heute nicht zu sehen (Schaftstelze, Baumpieper und Fichtenkreuzschnabel), dafür üben wir aber einfach die Bestimmung von Watvogelarten wie verschiedenen Regenpfeifern, Sichelstrandläufer, Dunklem Wasserläufer, Knutt, u.v.m. Am Nachmittag können wir auf der Heide beim Picknick über 50 Wespenbussarde im direkten Überflug, sehr viele Sperber, einige Fischadler und einen Baumfalken beobachten. Abends geht’s dann nocheinmal ans Wasser: die Lagune Ängsnäset bietet ebenso gute Beobachtungsmöglichkeiten für viele Limikolen- und Entenarten. Als kleine Highlights sehen wir hier sieben Bekassinen, Steinschmätzer und Braunkehlchen. Später beim Baden in der Ostsee überfliegen uns mehrere Zwergseeschwalben. Welch schöner Tagesausklang!

Die Dünen und auch das Hinterland sind auf dieser Halbinsel botanisch ganz interessant: es lässt sich über eine Breite von mehreren hundert Metern wunderbar sehen, wie die natürliche Dünensukzession vonstatten geht. Alle Stadien vom Spülsaum mit seiner Strandmelde über Vor- und Weißdüne mit Meersenf, Strandroggen, Strandhafer und sogar Strandmannstreu (Stranddistel) bis hin zu Grau- und Braundüne mit Arten wie dem Sandglöckchen, dem Dünen-Veilchen, der Strand-Platterbse und den dann anschließenden Moor- und Heidearten lassen sich ausgiebig betrachten. Es schließen sich lichte Waldbestände aus Birke und Kiefer an, teils auch Rotbuche. Dazwischen findet man immer wieder große Flecken von Tüpfelfarn (auch an der Düne). Stellenweise finden sich auch Strand-Kamille, Strand-Winde und natürlich Strand-Grasnelke.
Große Flächen der Küstenwiesen auf Falsterbonäset sind ausgewiesene Schutzgebiete und werden durch extensive Weidewirtschaft gepflegt.

An diesem Wochenende besuchen wir außerdem die nordwestliche Ecke der Halbinsel, ein lang hingezogenes Sandriff mit Namen Skanörs Revlar. Nach einem längeren Spaziergang entlang des Strandes erreichen wir das Ende des Sandhakens und laufen noch ein wenig auf dem trocken liegenden Meerboden weiter. Der Wind hat heute des Wasser nach Norden verweht. Über 30 Säbelschnäbler, einige Große Brachvögel, viele Alpenstrandläufer und Sichelstrandläufer, sowie Kiebitzregenpfeifer und Knutts gehören hier zu den auffallenden Arten.

Heute ist der berühmt-berüchtigte „Bivråkensdag“ (Honey Buzzard Day – Wespenbussardtag). Im Klartext heißt das viele hundert eigens zum vorläufigen Höhepunkt des Wespenbussardzugs angereiste Birdwatcher, Stände, an denen man Bücher, Ferngläser, Spektive und Kuchen kaufen kann, eine Moderation für alle, die die Vögel nicht selbst entdecken und öffentliche Führungen. Ein großes Tohuwabohu macht sich auf der Heide breit und ähnelt einem Haufen Enten, die alle umherwatscheln und auf die (heute natürlich nicht so zahlreich kommenden!) Wespenbussarde warten.

Am Abend kämpfen wir uns erst durch plötzlichen Regen und erreichen dann aber bei zunehmend trockenem Wetter Nabben. Was wir hier zu sehen bekommen, ist ein vorläufiger Höhepunkt unseres Seminars: sechs Entenarten, über 50 Brandseeschwalben, neun Watvogelarten, eine am Schilfrand herumschleichende Wasserralle und kurz vor Ende eine juvenile Schmarotzerraubmöwe. Gegenüber läuft noch ein Fuchs umher und ca. 40 Kegelrobben liegen weiter hinten am Strand herum und genießen das Abendlicht.

Am nächsten Morgen geht es dann zu einem „Guiding“ am Leuchtturm. Karin Persson von der Fågelstation Falsterbo führt uns in einem zweieinhalbstündigen Vortrag in die Biologie und Ökologie der Zugvögel und des Vogelzugs ein und vermittelt uns auf sehr unterhaltsame Weise viele interessante Details über Evolution, Verhalten und Forschung. Am Ende des Guidings bezeigt sie uns an einem frisch gefangenen Vogel, wie eine Beringung abläuft, wie Alters- und Geschlechtsbestimmungen funktionieren und wir kommen ein noch paar weitere Arten hautnah zu sehen. So können wir einmal Teich- und Schildrohrsänger aus nächster Nähe nebeneinander gehalten betrachten, außerdem Grauschnäpper und Trauerschnäpper, sowie eine Schaftstelze. Den abschließenden Höhepunkt bringt ein Sperberweibchen mit dem wir nun einmal „auf Augenhöhe“ sind.

Im Anschluss geht es dann endlich los zur Radtour. Wir radeln zunächst hochmotiviert in nordöstlicher Richtung und verbringen unsere erste Nacht am Fjällfotasjön. Auf dem Weg dorthin sehen wir viele Rotmilane (einmal auch sechs gleichzeitig), einen über 600 Individuen starken Kiebitzschwarm, mehrere Rohrweihen verschiedenen Alters und Geschlechts und am Yddingesjön auch eine Schellente. Am Ufer dieses Sees gelingt es uns, eine Ringelnatter zu fangen und eine Weile lang genau zu betrachten. An unserem Exemplar ist der typische Skandinavien-Effekt des Melanismus bei Reptilien gut sichtbar. Viele Arten sind hier dunkler gefärbt als in Mitteleuropa oder sogar ganz schwarz, um das Sonnenlicht bei geringeren Temperaturen besser auszunutzen und sich schneller zu erwärmen.
Den Abend verbringen wir dann an einem sehr schönen Platz im Wald, nahe des Ufers, bei Lagerfeuer und Gitarrenmusik. Am nächsten Morgen sehen wir schon in aller Frühe Seeadler und Fischadler über dem See und können Trauerseeschwalben beim Überflug beobachten. Nach dem Frühstück wird es relativ warm, sodass es sich lohnt nochmal auf der nahe liegenden Kahlschlagfläche nach Arten wie Waldeidechse, Libellen und Zaunkönig Ausschau zu halten. Ein Habicht fliegt am Waldrand.

Nun geht es weiter in Richtung des nächsten Sees, dem Krankesjön. Unterwegs begegnen wir dem Grünspecht, sechs verschiedenen Fischadlern, ca. 20 Rotmilanen, Rohrweihen, einigen Steinschmätzern und Sturmmöwen und als kleine Höhepunkte einem Wendehals, der sich ganz freundlicherweise vor uns auf den Weg setzt und sich prima durchs Fernglas betrachten lässt, sowie einem Baumfalken der für uns eine extra Runde über dem Feld dreht, sodass alle von uns die längsgestreifte Unterseite und die „roten Hosen“ deutlich sehen können. Am Feldrand sitzt zudem noch ein Rebhuhn. Natürlich wird auf unseren Fahrten kein offen stehender Apfel- oder Birnenbaum ausgespart und auch die Brombeer- und Himbeerhecken sehen nach uns anders aus als vorher.

Am Krankesjön angekommen glauben wir unseren Augen nicht mehr: auf dem wirklich gut positioniertem Beobachtungsturm erwartet uns ein wundervolles Abendpanorama mit den typischen Wasservögeln, rufenden Kranichtrupps im Hintergrund, einem Schwarzspechtweibchen und später auch noch einem oder mehreren rufenden Waldkäuzen. Unten am Schilfrand gibt es ein Beobachtungsversteck, von dem aus wir die Tage noch ein bisschen was zu sehen bekommen. Heute erleben wir ersteinmal das abendliche „Starenballett“, bei dem sich ein recht großer Trupp von Staren tänzerisch und imposant in Szene gesetzt zu seinem Nachtplatz im Schilf verabschiedet. Ein wundervoller Anblick, bei dem das sachte Rauschen der Vögel das momentan einzige Geräusch in der abendlichen Stille ist.
Direkt neben den Beobachtungsanlagen finden wir einen Naturzeltplatz mit Sitzmöglichkeit, zwei Feuerstellen, Plumpsklo und einem offenen Unterschlupf, der nachts bis zu acht eng aneinandergekuschelten DJNern Platz bietet. Wie jeder Abend dieser Tour klingt auch dieser wieder gemeinschaftlich mit selbstgemachter Musik aus.

Der nächste Morgen ist wahrscheinlich die beste Beobachtungszeit der ganzen Tour. Um halb sechs besteigen wir den Beobachtungsturm und können innerhalb der nächsten fünf Stunden über 40 Vogelarten beobachten. Dazu gehören nicht nur die typischen Arten wie Blaumeise, Mönchsgrasmücke, Haubentaucher und Star, sondern auch ein paar Besonderheiten wie der Eisvogel, Schwarzspecht, Fichtenkreuzschnabel, Bekassine, Waldbaumläufer, Goldammer und Trauerseeschwalbe. Wir können mehrere Flussseeschwalben und Fischadler beim Fischen beobachten, schließen Wetten über den Erfolg verschiedener Einzeltiere ab und erleben eine besonders spannende Geschichte: eine junge und anscheinend sehr unerfahrene Rohrweihe versucht sich doch tatsächlich an einem Blässhuhn! Langsam kommt sie über das Wasser angeflogen und setzt sich dann einfach wie selbstverständlich auf das Blässhuhn drauf. Dieses ist nun unter Wasser natürlich dem Ertrinken preisgegeben, wobei die Rohrweihe soweit mit einsinkt, dass es aussieht, als würde sie schwimmen wollen, denn vom Beutetier ist längst nichts mehr zu sehen. Anscheinend hat sie keine Ahnung, was sie nun tun soll, also bleibt sie erstmal 20 Minuten lang auf dem Blässhuhn sitzen und schaut sich ganz verdutzt um. Vielleicht ist ihr die ganze Aktion ja auch ein bisschen peinlich. Immerhin schauen wir ja zu! Sie versucht mehrmals aufzufliegen, schafft es aber natürlich nicht. Dann irgendwann sieht sie schließlich ein, dass es zwecklos ist und sie sich mit der Wunschbeute wohl etwas übernommen hat und lässt das Blässhuhn los, verkriecht sich auf einer kleinen Schilfbank, derweil das Blässhuhn nun tot umhertreibt. Ab da an haben wir jedes Mal, wenn wir wieder eine junge Rohrweihe entdeckten, unseren Spaß.

Wir entscheiden uns, zwei Nächte an diesem schönen Ort zu bleiben und nutzen den Tag, um im nahe gelegenen Veberöd lcker einzukaufen, denn wenn wir schon mal so tolle Grillmöglichkeiten haben, dann wollen wir sie auch nutzen und Feta mit Gemüse und Folienkartoffeln grillen. Natürlich fahren wir nicht schnurstracks zum nächsten Ort, sondern schlenkern noch hier und da durch die Gegend, das Spektiv stets griffbereit, und bekommen so noch ein paar Baumpieper und einen jungen Neuntöter vor die Linse.
Am Nachmittag fahren ein paar von uns noch nach dem Baden mit einem Ruderboot auf den See hinaus und können sehr lange und ausgiebig Fischadler bei ihren sehr zögerlichen Jagdversuchen und auch Jagderfolgen beobachten. Abgerundet wird dieses Erlebnis dann wiederum durch den rufenden Waldkauz und einen vorebiziehenden Baumfalken. Leider bekommen wir weder Rohrammer noch Blaukehlchen zu Gesicht. Das Essen heute ist wie schon gesagt besonders lecker und üppig.

Am nächsten Morgen stehen wir wieder im 6 Uhr auf dem Turm, etwas unausgeschlafen und frierend zwar, aber das macht nichts. Die Enten treiben seelenruhig auf dem See umher, neben Stockenten sind hier natürlich vor allem Krickenten und Schnatterenten besonders zahlreich vertreten. Es lassen sich aber auch einige Tafelenten, Reiherenten und Löffelenten beobachten. Im Gebüsch unter uns rufen und hüpfen u.a. Fitis, Zilpzalp, Sumpfmeise und Rotkehlchen umher, der Schwarzspecht lässt sich nocheinmal blicken, ebenso der Eisvogel und hinter uns am Horizont sagt ein großer Kranichtrupp Guten Morgen! Auch ein Seeadler zeigt sich uns im Vorbeiflug.

Die anschließende Radtour gen Süden gestaltet sich etwas feuchter als erwartet, aber dennoch sehr fröhlich. Wir radeln eine Stunde lang durch den Platzregen, die meistens von uns sind danach völlig durchnässt, aber das Weiterkommen und die Aussicht auf Nahrung treibt uns weiter an. Irgendwann gelangen wir nach Skurup, einem kleinen Ort im Nils-Holgersson-Heimatland, wo wir für wenig Geld jeder eine gescheite Pizza, Kaffee, frisches und warmes Brot und eine gute Portion Salat bekommen. Danach sind wir wieder munter und motiviert und radeln weiter nach Näsbyholm. Dieses ist eigentlich ein guter Ort, um die hier brütenden Steinadler zu beobachten, jedoch sehen wir dank des Regens nur unglaublich viele Fasane, die zu einem nahe gelegenem Jagdgut gehören und Jagdfreunden als Zielscheiben zur Verfügung stehen (für die etwas Ungeschickteren gibt es auch begleitende Profijäger, die dem Jagdglück etwas nachhelfen können).
Unser eigentliches Ziel heute ist das Gebiet am und um den Börringesjön. Hier sind normalerweise Greifvögel und Wasservögel gut zu beobachten. Der Regen und das anschließende Gewitter machen uns einen Strich durch die Rechnung. Sehr unerwartet und überraschend finden wir ein Ehepaar, das uns heute Nacht in ihrem Garten schlafen lässt und wir können uns dort erstmal wieder trocknen und aufwärmen. Wir sind sehr beeindruckt von dieser Gastfreundschaft.

Am nächsten Tag geht es dann auf etwas längerer Strecke wieder zurück nach Falsterbo, wo wir noch einmal ein Wochenende verbringen wollen. Nach diesem anstrengendem Tag in immer noch feuchten Klamotten tut eine warme Dusche nach diesen fünf Tagen echt gut. Am Abend geht es natürlich noch einmal zum Gucken raus, dieses Mal wieder nach Nabben, wo wir bei aufgehendem Vollmond den Trauer- und Brandseeschwalben Gute Nacht sagen.

Am nächsten Tag geht’s ganz gemütlich erst gegen Mittag los, wir picknicken auf der Heide und sehen neben Wespenbussarden, Rohrweihen, Turmfalken und Sperbern heute auch noch Grauschnäpper, Fitis und Baumpieper. Es wird allmählich sehr windig aus westlicher Richtung und der Himmel zieht sich etwas zu. Wir beschließen, dieses Wetter zum Baden zu nutzen und fahren an den Weststrand von Flommen, wo wir uns in einem aufregendem Badeabenteuer 1,5 Meter hohen Wellen gegenüber sehen. Welch ein Spaß! Und das Wasser ist dabei erstaunlich warm.
Am Abend geht es dann nochmal zum Strand in der Nähe des Zeltplatzes, wo wir mit der Taschenlampe auf Krötensuche sind. Und tatsächlich finden wir Kreuz- und Erdkröte während ihrer Nahrungssuche im angespülten Seegras. Kreuzkröten sind im Gegensatz zur Erdkröte echte Läufer und keine „Hüpfer“, außerdem kleiner und haben einen hellen Rückenstreifen. Sie sind typische Dünenbewohner. Im direkten Vergleich können wir die Unterschiede gut sehen und in Zukunft Kreuzkröten auf Anhieb erkennen.

Der nächste und letzte Tag ist vom Wetter her relativ wechselhaft, wir bleiben jedoch eine Weile auf der Heide und beobachten noch einmal die ziehenden Vögel dort. Am Nachmittag fahren wir nach Lilla Hammars Näs, einer etwa zehn Kilometer entfernten Halbinsel an der Bucht Foteviken, die uns bei strahlendem Sonnenschein zur Wasservogelbeobachtung einlädt. Das ganze Repertoire von Grünschenkel, Rotschenkel, Brachvogel und Sandregenpfeifer bis hin zu Säbelschnäblern, Weißwangengänsen, Spießenten, Braunkehlchen und einem Schwarzschwan lassen sich hier gut sehen. Der australische Schwarzschwan brütet übrigens in der Umgebung von Malmö mit mindestens zwei Paaren erfolgreich und ist von hiesigen Vogelguckern nicht gern gesehen.
Und da heute der letzte Abend dieser Sommertour ist, springen wir natürlich nocheinmal (ins heute kalte) Wasser, aber der Steg am Strand macht die Sache kurz und „schmerzlos“.

Da ungefähr die Hälfte von uns vorher noch nicht wirklich viel Kontakt und Erfahrung mit verschiedenen Vogelarten hatte, bietet uns dieses Seminar eine sehr gute Möglichkeit, viele neue Arten kennenzulernen und vor allem auch solche in größeren Stückzahlen zu sehen, die in Deutschland alles andere als regelmäßig beobachtet werden können. Das trifft besonders auf die Greifvogelarten, aber auch auf sehr viele Singvogel- und Limikolenarten zu. Dieser Aspekt macht unter anderem den besonderen Reiz dieses Seminars für weniger Erfahrene Vogelbeobachter und Anfänger aus. Aber wie man sicherlich herauslesen kann, ist solch eine Exkursion auch für Fortgeschrittene Ornithologen und Vogelfreunde eine schöne Sache und bietet viele Überraschungen und schöne Beobachtungen. Während des gesamten Seminars sind wir auf ca. 105 bewusst wahrgenommene Vogelarten gekommen, was natürlich nicht an das heranreicht, was erfahrenere und ausdauerndere Vogelbeobachter hier zur selben Zeit sehen können. Aber das ist auch nicht unser Anspruch. Einen guten Überblick und täglich aktuelle Zug- und Beringungszahlen bietet dazu die Website der Vogelstation www.skof.se/fbo.

Und man sollte Falsterbo und Umgebung auch nicht unterschätzen, was andere Organismengruppen anbelangt. So hat dieses Gebiet durchaus auch das Potenzial zu spannenden botanischen (Dünensukzession, Halophyten), entomologischen (v.a. Heuschrecken, Libellen und Schmetterlinge) und herpetologischen (Kreuzkröte, Kreuzotter, Wechselkröte) Nebenexkursionen. Dennoch ist und bleibt dieser Ort vor allem das Mekka all jener Birdwatcher, die das großartige Spektakel des Vogelzuges erleben wollen.

Für uns war diese Tour trotz ein paar vom Regen „vermasselter“ Tage ein wunderbares Erlebnis, eine schöne gemeinsame Erfahrung, bei der vielleicht auch ein paar neue Freundschaften entstanden sind und die us allen viel gebracht hat. Nächstes Jahr geht es ganz sicher wieder hierher und dann wird es noch besser, denn nun kennen wir noch mehr „Geheimtipps“ und haben unsere Erfahrungen in diesem Gebiet.

PS. Wer mehr über Falsterbo und den Vogelzug erfahren möchte, dem sei das wundervolle Buch „Wings over Falsterbo“ (im schwedischen Original „Vingar över Falsterbo“) ans Herz gelegt, das bei der Fågelstation Falsterbo bestellbar ist (www.skof.se/fbo). Weiterhin sehr gut geeignet für Exkursionen in ganz Skåne (Schonen) ist das Buch „A Guide to Birdwatching in Skåne“, das ebenso dort bestellbar ist. Mit dem Kauf der Bücher wird die wissenschaftliche und die Naturschutzarbeit der Station vor Ort unterstützt.

Text: Philipp Meinecke

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